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G WIE GÄNGEVIERTEL

 

 

Die Hamburger Gängeviertel: Als die Pioniere der Straßenfotografie Europas größte Slums besuchten

Obwohl Hamburg im 19. Jahrhundert immer reicher und mächtiger wird, müssen viele Hamburger in sogenannten „Gängevierteln“ in Armut leben. Sie hausen in winzigen Wohnungen und dunklen Kellern, es gibt keine Kanalisation, kein sauberes Trinkwasser. Im heißen Sommer 1892 sterben in nur sechs Wochen 10.000 Menschen an einer Choleraepidemie, die vor allem in den „Gängen“ wütet. Die Folge: Die Stadt läßt die „Pesthöhlen“ aus lauter Ratlosigkeit einfach abreißen. Doch bevor ganze Viertel dem Erdboden gleichgemacht werden, besuchen sie Hamburgs erste Straßenfotografen, um sie mit der Kamera festzuhalten…

 

Großer Bäckergang, 31. Judenhof. Fotograf: Paul Wutcke, um 1900

Als der damals 28-jährige Fotograf Paul Wutcke den Großen Bäckergang besucht, putzen sich die Bewohner offenbar für ihn heraus. Die Kinder haben Stickereikragen an, die Frauen ihr gutes Kleid, manche Männer tragen sogar Anzug und Melone. Dabei gehören sie zu den armen und vergessenen Menschen der Stadt. Der Große Bäckergang ist Teil der Hamburger Neustadt, damals Mittelpunkt jüdischen Lebens. Hier, in der Nähe des Hafens, befindet sich eines der beiden Gängeviertel Hamburgs, der andere Slum aus verfallenen Altbauten und düsteren Gassen liegt in der nördlichen Neustadt, einer Gegend, die sich auch heute noch „Gängeviertel“ nennt und eine Enklave für alternative Kultur- und Kunstprojekte geworden ist. 

 

Hof „Langer Jammer“ am Brauerknechtsgraben in der Neustadt, Fotograf: Paul Wutcke, um 1900

Die Familien der Gängeviertel hatten viele Kinder, obwohl die Säuglingssterblichkeit enorm hoch war: Jedes 4. Kind starb, bevor es ein Jahr alt war. Zudem erkrankten viele Kinder wegen der dunklen Behausungen an Rachitis, was häufig an ihren krummen Beinen zu erkennen war. Über den Fotografen Paul Wutcke gibt es wenige Infos. Nur so viel: 1872 als Sohn eines Uhrmachers geboren, lebte er in der ABC-Straße unweit des Gängeviertels der nördlichen Neustadt und arbeitete als Masseur. 1905 wurde er Inhaber eines Korsettgeschäftes. Die Straßen-Fotografie schien er also mehr als Hobby zu betreiben. Wutcke starb 1945, vermutlich im Krieg.

 

Speckstraße 60. Fotograf: Johann Hamann um 1925

 

Der Eiermann kommt! Szene aus einem Hof am Dammtorwall, einer einst berüchtigten Gegend mit vielen Bordells; Fotograf: Johann Hamann, 1908

Am Dammtorwall Eine für die feine Gesellschaft unheimliche, aber auch faszinierende Welt. Es soll damals Männer aus der Oberschicht gegeben haben, die sich in Gruppen als Hafenarbeiter verkleideten, um unerkannt die Bordelle und Prostituierten dieser Viertel zu besuchen – ein Phänomen, das in London damals beispielsweise als „Slumming“ bekannt wurde. 

 

Kinder in einem Gängeviertel am Hafen; Fotograf: Johann Hamann, 1901

Die Gänge waren Wohnlabyrinthe, in denen durchschnittlich 1500 Menschen zusammengepfercht auf einem Hektar leben, auf einen Bewohner kommen gerade einmal 6,2 Quadratmeter Wohnfläche. Lärm, Musik, Schlägereien standen an der Tages- und Nachtordnung.   

 

Der Rademachergang, Nr.9 mit einem Schieferdecker-Häuschen, in dem das Symbol über dem Fenster das Symbol des Schieferdeckers zeigt.

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