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Paternoster in Hamburg: Wo die nostalgischen Aufzüge noch rotieren!

Beamtenbagger oder Beamtenheber wurden sie früher scherzhaft genannt. Dabei geht von Paternostern ein ganz besonderer, nostalgischer Charme aus. Erfahrt hier mehr über die mechanisch rumpelnden Aufzüge, von denen in Hamburg immer noch 29 Exemplare erhalten sind (Liste am Ende des Beitrags!). Nicht umsonst galt die Elbmetropole einst als Deutschlands Hauptstadt der Paternoster…

Flüggerhaus: Der älteste noch fahrende Paternoster der Welt

Im Jahr 2018 entdeckt ein junger Kunsthistoriker durch Zufall den ältesten noch funktionierenden Paternoster der Welt – in Hamburg. Seinen Ursprung hat der mechanische Aufzug dabei in England, wo er erstmals 1864 im „Oriel Chambers“, einem Bürogebäude in Liverpool, eingesetzt wurde, zunächst jedoch nur für Waren. Ab 1884 beförderte er auch Personen. Hamburg führte ihn 1885 dann als erste Stadt auf dem europäischen Kontinent ein. Schon bald galt die Elbmetropole als die Paternoster-Hauptstadt Deutschlands. Der älteste noch fahrtüchtige Paternoster der Welt befindet sich im Flüggerhaus am Rödingsmarkt. Über vierzig Jahre lang hatte er im Dornröschenschlaf gelegen – versteckt hinter einer Verschalung in dem 1908 erbauten Kontorhaus. Ausfindig gemacht hatte ihn der junge Kunsthistoriker Robin Augenstein, der während einer Recherche zu einem Uni-Vortrag auf einen alten Bauplan des Gebäudes gestoßen war. Kurz darauf stapfte der damals 28-Jährige mit Denkmalschutzamt und Taschenlampe in den Keller des Gebäudes, wo er plötzlich vor den riesigen Zahnrädern stand, die die 14 Gondeln des Aufzuges nach fertiger Restaurierung ab 2023 wieder rotieren lassen sollen. Hier ein Video:

Woher der Paternoster seinen Namen hat?

Mit  „Paternoster“ bezeichnet man auch Rosenkränze. Weil die durchlaufenden Kabinen die Menschen früher an die Perlenschnur eines Rosenkranzes erinnerten, die beim Aufsagen des „Vaterunsers“ durch die Hand gleitet, erhielt der Paternoster kurzerhand seinen Namen. Wie passend der ist, zeigt auch diese schematische Darstellung:

Bild: RokerHRO, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

 

Laeisz-Hof

Dass das leise Rumpeln eines Paternosters etwas Beruhigendes hat, fiel mir nicht zuletzt im Laeisz-Hof auf, wo ich ein besonders schönes Exemplar fand und eine Runde drehen konnte. Dennoch ist so eine Tour, wenn man sie das erste Mal macht, mit einem gewissen Nervenkitzel verbunden. Was, wenn man nicht rechtzeitig aussteigt? Und steht man wirklich nicht plötzlich doch über Kopf, wenn der Paternoster oben angekommen ist und auf der anderen Seite wieder runterfahren muss? Dass wirklich nix passiert, seht Ihr an dem Video, das ich auf Instagram geteilt habe:

 

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Ein Beitrag geteilt von Susanne I HAMBURG (@frau_elbville)

Über den Laeiszhof und seinen Erbauer, den Hamburger Reeder Carl Laeisz erfahrt Ihr übrigens in diesem Blog-Post mehr. Außerdem gehört er zu den 46 Locations, die ich in meinem neuen Buch „Kuriose Orte in Hamburg“ vorstelle. Hier könnt Ihr das Buch käuflich erwerben.

Columbia-Haus, Deichstraße

Mit Hauswart Kalle Bieberitz hat ein schöner alter Paternoster in der Deichstraße 29 sogar einen eigenen Bewacher. In der oben eingebetteten Doku vom NDR erzählt Herr Bieberitz, dass im Columbia-Haus nur „eigenwiesene“ Personen in den Paternoster einsteigen dürfen. Denn es hat schwere Unfälle gegeben: Da war etwa der Azubi, der mit einer zu großen Leiter in den Paternoster eingestiegen sei, die im Vorbeifahren dann nicht nur die Gondel sondern auch Teile des 2. Stockwerks zerschreddert hätte. Anders als ein Fahrstuhl hat eine Paternosterkabine gemeinhin nämlich keinen Notknopf, mit dem man den Aufzug zum Stehen bringen kann. Touristen werden im Columbiahaus deshalb leider abgewiesen – man darf aber immerhin einen Blick in die schöne alte Empfangshalle werfen.

Bezirksamt in den Grindelhochhäusern

In den Grindelhochhäusern mussten die Mitarbeiter des dort angesiedelten Bezirksamtes eine Weile lang „Paternoster-Führerscheine“ machen, worüber sich dieser schräge Beitrag auf extra 3 ein wenig lustig macht. Tatsächlich verbot eine Betriebssicherheitsverordnung aus dem Jahr 2015 den Betrieb von Paternostern im öffentlichen Bereich. Nachdem sich breiter Widerstand regte, ruderte das Bundesarbeitsministerium jedoch zurück. Schon kurz darauf wurde die neue Verordnung „entschärft“ und die Paternoster dürfen nun deutschlandweit weiterbetrieben werden, sofern sich die Betreiber verpflichten, „durch zusätzliche Maßnahmen Gefährdungen bei der Benutzung zu vermeiden“.

Sprinkenhof

Noch heute sind in Hamburg rund 29 Paternoster in Betrieb, öffentlich zugänglich jedoch nur wenige davon. Da die Paternoster in der Regel in Bürohäusern oder städtischen Ämtern zu finden sind, richtet sich die Zugänglichkeit auch nach den Öffnungszeiten dieser Gebäude. Vor Kurzem hatte ich das Glück, im Sprinkenhof ein weiteres Exemplar testen zu können. Im Art Deco Stil gehalten, funkelt dieser Paternoster gold und rot und fügt sich wunderschön in den Rest des Treppenhauses ein, dass sich hinter einem Nebeneingang des Kontorhauses verbirgt. Mehr über den Sprinkenhof erfahrt Ihr in diesem Beitrag über Hamburgs schönste Treppenhäuser.

Liste der heute noch existierenden Paternoster-Aufzüge in Hamburg

  • Bezirksamt Eimsbüttel (2 ×: Grindelberg 62 u. 66)
  • Bezirksamt Hamburg-Nord (Kümmellstr. 7)
  • Behörde für Inneres und Sport (Johanniswall 4, nur für Mitarbeiter)
  • Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (Stadthausbrücke 8) seit 2013 außer Betrieb
  • Finanzbehörde (2 ×, Gänsemarkt 32, Nutzung laut Pförtner nur für eingewiesenes Personal gestattet)
  • Finanzamt Hamburg-Harburg (Harburger Ring 40, nicht mehr öffentlich zugänglich)
  • Finanzamt Hamburg-Oberalster (Bieber-Haus, Heidi-Kabel-Platz 2, außer Betrieb)
  • Axel-Springer-Haus (3 ×, nur für Mitarbeiter, inkl. der höchste Paternoster in Hamburg (Ausstiegsmöglichkeiten in 13 Etagen))
  • Beiersdorf AG (Unnastraße 48, nur für Mitarbeiter)
  • Columbia-Haus (Deichstraße 29)
  • Commerzbank AG (Ness 7–9, nur für Mitarbeiter)
  • Deutsche Bahn AG, Museumstraße 39 (alte Bundesbahndirektion Altona, nur Mitarbeiter und angemeldete Besucher)
  • Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften und GIGA (Neuer Jungfernstieg 21) seit 2015 außer Betrieb
  • Flüggerhaus (Rödingsmarkt 19)
  • Hochbahnhaus (Steinstraße 20, nur für Mitarbeiter)
  • Hapag-Lloyd-Gebäude (Ballindamm, Ferdinandstr. 56, nur Mitarbeiter)
  • Landgericht am Sievekingsplatz (2 × Grundbuchhalle im Ziviljustizgebäude, beide außer Betrieb aber noch zu besichtigen (Reparatur beider Paternosteraufzüge geplant))
  • Kaufhof, Mönckebergstraße 3 (nur für Mitarbeiter)
  • Laeiszhof (Trostbrücke 1)
  • Levantehaus (Mönckebergstraße 7, die 2 funktionstüchtigen Paternosteraufzüge wurden in beleuchtete Schaukästen mit Werbung verwandelt)
  • Paulsenhaus (Neuer Wall 72)
  • Phoenix AG Harburg – Teil der Continental Contitech AG (Hannoversche Straße 88, nur für Mitarbeiter) seit März 2015 außer Betrieb
  • Procom-Haus (Rathausstr. 7, nur für Mitarbeiter und Besucher)
  • Sprinkenhof (Burchardstraße 14)
  • Signal Iduna Gruppe (Neue Rabenstraße 15, 3 nur Mitarbeiter und angemeldete Besucher)
  • Schauenburger Hof (Schauenburger Straße 27, nur für Mitarbeiter und Besucher)
  • Slomanhaus (Nebeneingang Steinhöft 11, nicht mehr öffentlich zugänglich)
  • Staatsanwaltschaft Hamburg (Kaiser-Wilhelm-Straße 100)
  • Vollers (Rossweg 20)

Achtung! Angaben ohne Gewähr! (Quelle: u.a. Wikipedia)

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