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Foto-Zeitreise: Als Hamburg die ältesten Sportvereine der Welt erfand

Auch in Quarantäne-Zeiten ist Sport angesagt. Und so posten derzeit diverse Sportvereine auf ihren Online-Kanälen Fitness-Übungen, die wir zu Hause nachmachen können – auch die „Hamburger Turnerschaft von 1816″ . Wusstet Ihr, dass ausgerechnet der HT 1816 im Bezirk Hamm der älteste Sportverein der Welt und Hamburg die Wiege sportlicher Vereinskultur ist? Die folgenden Fotografien zeigen, wie sich hanseatische Athleten vor über hundert Jahren fit hielten und zu Pionieren der modernen Sportkultur wurden.   

TEXT : Susanne Krieg  FOTOS: Onlinearchiv des Museums für Kunst & Gewerbe / HT16

St. Pauli: Haltung mit Hanteln und Hosenträgern

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trainieren sportverrückte Hanseaten aus allen sozialen Schichten auf dem Heiligengeistfeld in St. Pauli ihren Bizeps. Das Turnen hat sich zum Volkssport entwickelt, nachdem zwei junge Anhänger von Turnvater Jahn von Berlin an die Elbe gekommen waren. Zunächst stellten die beiden die selbst gebauten Turngeräte in ihrem Hamburger Garten auf. Als sich immer mehr Mitstreiter fanden, gründete sich 1816 die Hamburger Turnerschaft, der erste Sportverein der Weltgeschichte.

Bocksprung für die Demokratie

In den folgen Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kommen in Hamburg zahlreiche weitere Vereine wie auch der St. Pauli Turnverein hinzu, denn das liberale Hamburg erlaubte im Gegensatz zum autoritären Preußen Zusammenschlüsse im demokratischen Sinne. Die Vereinssatzungen führten sogar das damals höchst unübliche Duzen ein – als Zeichen für einen hierarchiefreien, gleichberechtigten Umgang. Neben Schülern und Studenten traten den neuartigen Vereinen besonders Handwerker, Handwerksgesellen und Arbeiter bei.

Die größte Sporthalle des Nordens

Die Mitglieder des HT 1816 turnten anfangs noch auf einem Zwischengeschoss in der von Napoleons Truppen als Stall zweckentfremdeten Johanniskirche. Später zogen sie an die Ericusspitze (wo heute der SPIEGEL seinen Sitz hat). Erst 1888 weihte der Verein in St. Georg die damals modernste Turnhalle des Landes ein.

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Dem Turnverein von St. Pauli wurde um 1900 ein Gelände an der Ecke Glacischaussee und der heutigen Budapester Str. überlassen, auf dem mithilfe der enormen Spenden der Mitglieder die mit 1100 m² größte Sporthalle Norddeutschlands entstand (siehe Foto). Heute steht sie leider nicht mehr.

Springen und Spreizen: verboten

Für Frauen und Mädchen war das Turnen selbst im liberalen Hamburg langezeit verpönt. Erst ab 1919 durften sie offiziell Mitglieder in Turnvereinen werden. Vor allem das Springen oder Spreizen der Beine war für Frauen und Mädchen beim Turnen verboten, es galt als ungesund und war noch dazu unschicklich. Geduldet wurden vorerst nur Freiübungen und Reigenturnen. Der Turnrat des HT 1816 schrieb Mädchen folgende Turnkleidung vor: blauweiß gestreifte Bluse aus Kadettstoff, marineblauer Rock, lange, schwarze Strümpfe und braune Segeltuchschuhe. Uff, wenigstens das Korsett durfte ab… 

Rebellinnen in Pumphosen

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts rebellierten immer mehr Sportlerinnen – auch gegen den Rock, der ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Radfahrerinnen waren die Ersten, die auf die skandalöse Pumphose setzten. Athletinnen wie diese beiden Damen vom St. Pauli Turnverein zogen schnell nach. Kurz vor dem 1. Weltkrieg hatten dann selbst die höheren Töchter beim Sport die Hosen an.

Muskelprotze und Powerfrauen

Laut Statistik sind heute fast 28 Millionen Deutsche Mitglied in einem Sportverein – wobei das Verhältnis von Männern und Frauen immer noch nur zwei zu eins beträgt. Das zwischen 1905 und 1910 entstandene Gruppenbild des St. Pauli Turnvereins zeigt, wie fortschrittlich es dort offenbar damals schon zuging. Die Frauen sind (zumindest auf dem Foto) in der Überzahl und tragen fast alle die vor kurzem erst eingeführten, neuartigen Pumphosen mit Ringelshirt. Go, girls!

You never walk alone!

Viele Infos habe ich nicht zu diesem Foto. Fest steht, dass wir eine Fußballmannschaft sehen, die irgendwann zwischen 1905 und 1910 auf St. Pauli posiert. Der St. Pauli Turnverein ist dabei auch die Keimzelle des FC St. Pauli von 1910. Doch im Vergleich zum Turnen hat es der Ballsport, um 1875 von jungen Engländern in die Hansestadt gebracht, zunächst viel schwerer. Abwertend wird er als „Fußlümmelei“ bezeichnet. Der erste reine Fußball-Club Hamburgs gründete sich dann doch noch: im Wilhelm-Gymnasium am 1. Juni 1888 unter dem Namen Hamburger Fußball-Club. Aus ihm sollte später der HSV hervorgehen.

Drei Mann und ein Boot

Anders als das Turnen war das Rudern in Hamburg eine elitäre Angelegenheit für die Söhne wohlhabender Pfeffersäcke sowie englische Kaufleute, die in der Hansestadt lebten. Hier gründeten sich auch die ersten Ruderclubs- und Vereine Deutschlands: Bis 1911 waren es 13 an der Zahl, die Hamburg bald zu einer vom Senat geförderten Ruderhochburg des europäischen Kontinents machten. Kanuten wurde dabei weniger Beachtung geschenkt als Ruderern. Ihre Boote waren leichter und preiswerter, weshalb Kanufahren schon bald zur Sportart des kleinen Mannes, sprich des Arbeiters wurde. Das obige Bild zeigt das Kanu „Lütte seute Mina“ mit Besatzung in schönstem Hamburger Schmuddelwetter des Jahres 1900.

Die Deutschen Meister im Schwimmen, 1915

… kamen aus der „Hamburger Turnerschaft von 1816“ und waren Jungs aus Stahl in sogenannten Dreiecksbadehosen. Diese waren für damalige Verhältnisse skandalös knapp, aus Baumwolle und hatten eine seitliche Schnürung. Vorn prankte das Wappen des Sportvereins. Definitiv nur für Waschbretter und nix für Waschbären…

 

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hallo

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