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Festliche Tafeln, rauschende Maskentänze & Partyboote: Feiern wie die Hanseaten

Endlich wieder feiern! Geburtstage und andere Jubeltage oder einfach mal wieder eine gute Party ohne wirklichen Anlass – aus Spaß an der Freude, ach, was sag‘ ich: AM LEBEN! Und weil wir nach der langen, pandemiebedingten Durststrecke so sehr in Feierlaune sind, gibt es anlässlich der neuen Elbville-Abo-Postarte (siehe Beitragsende) ein wenig festliche Inspiration aus Hamburg. Entgegen ihres zugeknöpften Rufes wußten die Hanseaten nämlich immer schon, wie man es ordentlich krachen lässt… Nicht nur an Geburtstagen.

Fotos und Text: Susanne Krieg / Frau Elbville

1. Hip, hip, Hurra! Die Elphi ist 5!

Lasst uns zunächst jedoch der Elbphilharmonie nachträglich zu ihrem 5. Geburtstag gratulieren! Ich durfte der offiziellen Geburtagsfeier am 28. April vom Boot aus zuschauen. Das niederländische Designerduo DRIFT hatte das Gebäude mit einer Lichtinstallation, „Breaking Waves“, kunstvoll illuminieren lassen. Ein Ballett aus mehreren hundert, perfekt aufeinander abgestimmten Leucht-Drohnen umschwirrte 7,5 Minuten lang die Elphi. Ein bisschen wie Star Wars war’s – mit einer poetischen Note:

 

Leider mischten sich illegale „Hobby-Drohnen“ in das Schauspiel ein und sorgten dafür, dass einige der DRIFT-Drohnen herunterfielen…  Aus Sicherheitsgründen mussten weitere Vorführungen abgesagt werden. Damit Ihr trotzdem noch mal kurz lachen könnt, hier ein Foto von der ebenfalls 5-jährigen Frau Elbville mit Monchichi-Sturmfrisur in St. Peter Ording:

2. Festlich tafeln wie ein Hamburger Kaufmanns-Clan

Wenden wir uns nun der hanseatischen Kunst des Tafelns zu, die vor allem auf Festen des 19. Jahrhunderts eine besondere Rolle spielte. Eine schöne Biedermeier-Tafel könnt Ihr im Jenisch-Haus bewundern. Die Villa in Klein Flottbek solltet Ihr als Dependance des Hamburg-Museums unbedingt mal besichtigen. Man könnte fast annehmen, der Herr Senator und seine Gäste kämen jeden Moment zur Tür herein. Über die hanseatischen Tafelfreuden schrieb ein chinesischer Spion 1835:

„Der Esstisch ist das einzige Schlachtfeld, auf dem die Hamburger sich auszeichnen und sich als wirkliche Helden zeigen.“

Historische Menüpläne bezeugen, dass Hamburger Kaufmannsfamilien ihren Gästen schon mal 23 Gänge auftischten. Hier eine typische Menü-Abfolge für eine Abendgesellschaft:

Bei den Diners des legendär reichen Kaufmanns John Parish ging es dabei besonders üppig zu. Als er beispielsweise am 29. August 1806 hoch über dem Strand von Nienstedten zu Tisch bittet, sind 29 Gäste zugegen. Im Stehen schlürft man Helgoländer Austern, nimmt geröstete „Pröbenscheiben“ zu sich, kleine Würfel Chesterkäse, winzige, gebratene Krammetsvögel, verschiedene Torten, Mokka, Eis, Pfirsiche und Trauben aus den Treibhäusern des Gastgebers, gezuckerte Orangen und Bonbons, die den Union Jack zeigen (Parish war britischer Einwanderer). „Pärrischen“ hieß es lange Zeit in Hamburg, wenn man mal so richtig Geld ausgeben wollte für Dinge, die im Magen enden. Allein an besagtem Sommerabend 1806 wurden 79 Flaschen Wein verköstigt – womit wir bei einer weiteren Köstlichkeit wären, die der hanseatische Kaufmann zu feierlichen Anlässen gern auftischte.

3. Darauf einen Rotspon!

Hamburg Local food: Rotspon Rotwein Michel

Bier wurde selbst in der Bierbrauer-Metropole Hamburg nur in „vertraulichen Kreisen“ gereicht, bei feinen Tafeln oder Festen nie oder nur auf „ausnahmsweises Verlangen“. Häufig wurde zum Abendessen zunächst Tee serviert, eine besondere hanseatische Eigenart, man reichte dazu „Sardellenbrötchen“ und Kekse. Der eigentliche Renner jedoch war Wein, den man selbst veredelte. Hierfür brachten die Hansekoggen schon im 13. Jahrhundert jungen Bordeaux aus Frankreich mit. In Hamburg ließen die Kaufleute ihn über Monate hinweg in alten Holzfässern in den Tiefen ihrer kühlen Keller heranreifen. Auch die Buddenbrooks in Lübeck genossen schon diese Art edlen Tropfen. Und selbst Napoleons Truppen soll er besser geschmeckt haben als der eigene Wein zu Hause. Bis heute werden französische Rotweine in hanseatischen Kellern, beispielsweise in Rothenburgsort oder Bergedorf gekeltert – erhältlich ist Rotspon in jedem gutsortierten Hamburger Supermarkt. Ein schönes Mitbringsel für die nächste Dinner-Party, oder? Prost!

4. Feiern in der historischen Kaufmannsdiele

Fehlt nur noch die perfekte hanseatische Location, in der man feiern kann wie einst die hanseatischen Kaufmänner- und -frauen… In der Deichstraße am Nikolaifleet ist es möglich! Unter Hausnummer 37 steht noch ein im alten Hamburg vorherrschender Haustypus, dessen langgestreckte Diele im Erdgeschoss jeweils den Zugang zur Straße wie auch zum Fleet ermöglichte.

Foto: Heinrich Hamann / Museum für Kunst & Gewerbe

Durch den Brand von 1842, die Bomben von 1943 und den Stadtumbau sind heute leider nur noch wenige dieser Häuser erhalten, die man als Speicher, Kontor- und Wohnhaus in einem nutzte. In der Nr. 37 trug eine Stiftung glücklicherweise originalgetreue Möbel, Gemälde und Gebrauchsgegenstände zusammen – vornehmlich aus dem Barock und Biedermeier. Heute befindet sich in diesem denkmalgeschützten Bürgerhaus ein Lokal – dessen herrschaftliche Räume Ihr auch für eigene Feiern mieten könnt.

Foto: Buddels Weinbar

Das historische Gasthaus, das sich inzwischen „Buddels“ nennt, wäre mit seinen rund 120 edlen Weinen im Angebot dabei auch für Hamburger Kaufleute ein Paradies gewesen. Speisen kann man kleine, aber feine Gerichte wie z.B. Datteln im Speckmantel, Burrata und Rindertatar oder eine herzhafte Brotzeit mit  Käse und Wurst, aber auch Spezialitäten wie Heilbutt, Ente oder Reh, die sich auch zu Tisch bei Jenischs oder Parishs hervorragend gemacht hätten….

 Buddels Weinbar und Gasthaus, Deichstraße 37, 20459 Hamburg

5. Die wilden Maskenbälle der 1920er

Foto: Museum für Kunst & Gewerbe 

Auch diese beiden wußten, wie man feiert: Mit bunten Ganzkörpermasken und freizügigem Spektakel tanzten sich Lavinia Schulz und Walter Holdt vor hundert Jahren  durch Hamburg. Er war mit seiner Familie zerstritten, weil er den Kaufmannsbetrieb des Vaters nicht übernehmen wollte. Sie hatte bereits 1918 in Berlin für Furore gesorgt, als sie mehr oder weniger nackt über die Bühne tanzte, nur bekleidet mit einem »reizendem Sturm-Schwimmhöschen und Brusthalter«. Einen ihrer ersten Auftritte in Hamburg feierten die beiden am 7. Februar 192, auf einer Veranstaltung der „Tafelrunde“, wie sich eine Gruppe junger Expressionisten nannten, die sich regelmäßig im Hinterzimmer eines Cafés am Jungfernstieg traf. Bald machte das Paar mit skurrilen, aus Müll gebastelten Masken im Hamburg der Weimarer Republik von sich Reden:

Fotos: Museum für Kunst & Gewerbe

Doch obwohl der befreundete Künstler Emil Nolde den beiden zeitweise mit der Miete aushalf, brachen ihnen bald die letzten Einnahmequellen weg. Das Party-Leben war vorbei. Am Morgen des 18. Juni 1924 erschießt Lavinia Schulz ihren Partner. Später richtet sie die Waffe gegen sich selbst. Den einjährigen Sohn fand man unversehrt im Kinderbett.

→ Tipp 1: Heute sind Nachbauten der Ganzkörpermasken von Lavinia Schulz und Walter Holdt im Museum für Kunst und Gewerbe ausgestellt. Tipp2 : Schillernde Kostüme und farbenreiche Masken gibt’s einmal im Jahr in den Colonnaden zu sehen – zeitlich parallel zum Karneval in Venedig. Tipp 3: Der Vogelball – Hamburgs queer-elektronischer Maskenball am 6.8.2022. Mehr Infos hier!

6. Staatsmännisch: Das Matthiae-Mahl

Das Hamburger Matthiae-Mahl im Rathauses ist das älteste noch begangene Festessen der Welt – erstmals erwähnt wurde es 1356. Der Name bezieht sich auf den 24. Februar, einen Ehrentag für den Heiligen Matthias. In Hamburg markiert dieser den Auftakt des neuen Geschäftsjahres. Jedes Jahr im Februar treffen Hunderte Ehrengäste unter den Kronleuchtern des Großen Festsaals ein, um an einem 4-gängigen Bankett teilzunehmen.

2021 fand das Festmal aufgrund der Corona-Pandemie erstmals digital statt, übertragen in die ganze Welt und auf YouTube dauerhaft dokumentiert:

 

Für den einzigen Skandal in der Geschichte des Matthiae-Mahls sorgte übrigens Wladimir Putin. 1994 nahm er als Vizebürgermeister von St. Petersburg teil. Als Estlands Staatspräsident den Russen in einer Rede vorwarf, sie wollten wieder die Vorherrschaft im Osten, warf Putin seine Serviette auf die Tafel und marschierte aus dem Saal – „jeder Schritt begleitet vom Knarzen des Parketts“. Dem damaligen Bürgermeister Henning Voscherau soll er beim Verlassen des Raums einen verächtlichen Blick zugeworfen haben…

7. Und wie feierten die Armen?

Auch an die Ärmsten der Armen wurde gedacht. Bis 1887 war das Waisengrün eines der letzten großen Volksfeste Hamburgs, veranstaltet für die Waisenkinder der Stadt. Jeweils am ersten Donnerstag im Juli zogen diese, von Musik und Constablen begleitet, durch die Straßen und sammelten Geld. Im Hamburger Waisenhaus lebten damals „ehelich geborene“ Waisen im Alter von vier bis zehn Jahren. Auch die Kinder von Hingerichteten wurden aufgenommen. Die fleißigsten und artigsten schmückte man für den Umzug mit grünen Schleifen und Blumen. Außerdem trugen sie an Stangen befestigte Büchsen. An der Spitze des Zuges liefen ein Junge und ein Mädchen, die die Waisenhausleitung wegen ihrer guten Noten zum „Kapitän“ und zur „Kapitänin“ ernannt hatten. Die Waisen riefen „Een in de Hand, een in de Büchs!“ und „Bedank mi ock!“ Das Geld in den Büchsen ging ans Waisenhaus, das Geld in der Hand durften die Kinder behalten. In der Vorstadt auf St. Pauli endete der Zug. Dort bekamen die Kinder auf einem Jahrmarkt Erfrischungen. Oliver Twist hätte seine helle Freude gehabt…

8. Leinen los: Partyboote gestern – und heute

Zu guter Letzt eine Lithografie von einer hanseatischen Lustfahrt auf der Alster inklusive Fütterung der Schwäne – zu einer Zeit, als auf Höhe der Lombardsbrücke noch eine Windmühle stand. Wer heute auch mal so richtig schön auf einem Boot durch de Gegend schippern und feiern möchte, dem empfehle ich eine Barkasse namens „Frau Hedi’s Tanzkaffee“. Wenn dieses Schiff ablegt, geht’s rund: die Diskokugel glitzert, das Bier steht bereit und alles tanzt – zu Sixties Soul, Hula Punk, serbischer Blasmusik, finnischem Tango, Zigeuner Swing, Latin Hubschrauber Soul oder Shoegazer Pop… Dabei gondelt die Hedi (manchmal auch ihre Schwester Claudia) kreuz und quer durch den Hamburger Hafen. Dazu ein Gin Tonic – einfach herrlich!

→ Frau Hedi’s Tanzkaffee Boarding: Brücke 10, St. Pauli Landungsbrücken I Website I Google Maps


So, das war’s für diesen Monat!Die neue Postkarte könnt Ihr euch wie immer hier herunter laden:

Bis bald, und genießt den Juni! Anfang Juli kommt die nächste Karte!

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