Treppenhäuser in Hamburg: Auf der Jagd nach fotogenen Spiralen
Viele Treppenhäuser in Hamburg ziehen mich in ihren Bann. Das Tolle: Sie verstecken sich häufig in öffentlich zugänglichen Gebäuden. Man muss einfach nur hinein gehen, um ihre Pracht zu genießen. Doch dafür muss man wissen, wo man sie findet… Hier kommt meine ultimative Hit-Liste, die Euch zu neun großartigen Treppen-Tempeln führt. Warum also nicht in der Mittagspause oder beim nächsten Hamburg-Besuch einfach mal aufsteigen?
TEXT & FOTOS: SUSANNE KRIEG
Flammen-Tunnel
Yoga fürs Auge: Durch neun Stockwerke windet sich diese wunderschöne, glühende Schnecke aus Geländer und Tonfliesen. Die Treppe gehört zum größten Bürokomplex, den Hamburg in den 1920er Jahren zu bieten hatte. Sprinkenhof nennt er sich und war damals eines der ersten Häuser, in dem mehrere Firmen unter einem Dach Büros anmieten konnten (übrigens eine Idee mit amerikanischen Wurzeln). Der Sprinkenhof liegt in unmittelbarer Nähe zum Chilehaus, dem Herzstück des sogenannten Kontorhausviertels, das Hamburgs jüngster Beitrag zur Liste des UNESCO Weltkulturerbes ist. Noch heute befinden sich im Sprinkenhof hauptsächlich Büros. Und darum ist dieses Gebäude in der Regel während der Woche frei zugänglich.
– Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
Bunker-Spirale
Die Hamburger Architektur hat auch brutale Seiten. Nehmen wir etwa den Feldstraßenbunker am Heiligengeistfeld: purer Brutalismus! Doch in seinem Innern verbergen sich filigrane, fast zerbrechlich wirkende Wendeltreppen. In dem im 2. Weltkrieg als Flakturm errichteten Betonmonster findet man heute aber auch noch andere tolle Dinge: z.B. den Club Übel & Gefährlich oder den Web-Radiosender Byte FM. Demnächst will ein Investor den Bunker von 40 auf 60 Meter aufstocken. Er plant einen Urwald auf dem Dach, Sporthallen, Gästehäuser – na, wenn das mal nicht an Größenwahn grenzt…
– Feldstraße, 20359 Hamburg
Grüner Strudel
Grüner wird’s nicht. Zumindest nicht in diesem Kontorhaus in der Nähe des Rathauses. Das 1912 fertiggestellte Gebäude beherrbergt heute u.a. Praxen und ist in der Woche frei zugänglich. Etwas rätselhaft, aber niedlich: das Fabelwesen im Bodenmosaik.
– Mönckebergstraße 27, 20095 Hamburg
Milch mit Zucker, bitte!
Wie ein Milchkaffee nach dem Verrühren… Dieses Treppenhaus gehört zum Detjenhaus. Das Büro-Gebäude aus der Nachkriegszeit befindet sich am Kajen, mit bester Sicht auf den Hafen und die Speicherstadt. Von außen wirkt das Detjenhaus schlicht, doch innen punktet es mit seinem schwungvollen Minimalismus.
→ Kajen 6-8
Nautilus, ahoi!
Diese Treppe erinnert mich an einen Nautilus, Symbol für perfekte Proportion. Weniger schön: die Geschichte hinter dem Namen des Gebäudes, in dem sie sich befindet. Zunächst hieß es Ballin-Haus, nach dem Hamburger Reeder Albert Ballin. Doch weil er jüdischer Abstammung war, benannten die Nazis das Kontorhaus 1938 in Meßberg-Hof um. Eine böse Ironie des Schicksals wollte es, dass sich ausgerechnet die Firma Tesch & Stabenow darin niederließ. Sie verkaufte Zyklon B nach Auschwitz. Heute hat hier die Bauer Media Group ihren Sitz. Dass diese dem Gebäude nicht längst seinen alten Namen wieder gegeben hat, finde ich mehr als fragwürdig …
– Meßberg 1, 20095 Hamburg
Zürichhaus
Diese lichte Spirale schlängelt sich durch einen Turm im Zürichhaus. Es ist 1989-92 nach Plänen der Architekten Gerkan, Marg und Partner entstanden. Weitere Besonderheit: im Treppenhaus schwingt zudem ein Foucaultsches Pendel, einigen vielleicht auch bekannt aus Umberto Eccos gleichnamigen Roman. Zu erreichen ist die Treppe nur über die angrenzende Haupthalle des Gebäudes mit Glasdach und Glasfront, Wasserbecken und Bäumen, die ebenfalls sehenswert ist. Das Treppenhaus befindet sich rechts von der Eingangshalle.
→ Domstraße, 20095 Hamburg
Filigrane Ringe
Fast könnte man den Eingang zum Esplanadebau übersehen. Er liegt eingequetscht zwischen dem Hofbräuhaus und Baseler Hof. Als der Automobilfabrikant Heinrich Kleyer das Gebäude 1915 errichtet, ist es als repräsentative Zweigstelle der Frankfurter Adlerwerke gedacht. Damals war jedes fünfte Auto auf deutschen Straßen ein “Adler”, wie sich Kleyers Fahrzeuge nannten. Die Empfangshalle aus Marmor und das Treppenhaus mit seiner Mischung aus Art Déco und Jugendstil sind atemberaubend schön. Mehr zur Geschichte des Hauses findet Ihr in dieser Festschrift zum 100. Geburtstag.
– Esplanade 6, 20354 Hamburg
Schlicht und schön
Schnecke in schwarz-weiß. Wo entdeckt? In einem Seitenturm am Stephansplatz. Heute hat dort eine mondäne Hautklinik ihren Sitz. Wer im Innern einmal quer durch das Hauptgebäude läuft, vorbei an Apotheke und Café, steht außerdem in einem wunderschönen, mit Glas überdachten Hof, umgeben von kunstvollen Backsteinmauern. Ich liebe die wunderschönen Klinkergebäude, die es in Hamburg überall gibt. Deswegen fotografiere ich auch immer mal wieder herausragende Beispiele für Backsteinarchitektur. Ein paar Besichtigungstipps bekommt Ihr übrigens hier.
– Stephansplatz 3, 20354 Hamburg
Komponiert aus Mosaik
Art déco Leuchten, farbenfrohe Kacheln sowie das beeindruckende Treppenhausauge machen dieses Kontorhaus zu einem Beispiel für herausragende Architektur der Weimarer Republik. Dabei bekämpfte der Bauträger, der “Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband” (DHV), die kulturellen und politischen Ziele jener Ära der deutschen Geschichte, die 1933 zu Ende ging. Nach dem Krieg nutzte die britische Besatzungsmacht das Gebäude. Später zog dort das Hamburger Polizeipräsidium ein. Heute verwaltet es der Gewerkschaftszusammenschluss “ver.di”.
– Brahmskontor, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg